"Nein heißt Nein", § 177 Abs.1 StGB. Was bedeutet diese neue Regelung im deutschen Sexualstrafrecht?
Zunächst der Gesetzestext:
§ 177
Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Das bedeutet, nach dem Willen des Gesetzgebers ist nicht einvernehmlicher Sex strafbar, wenn er "gegen den erkennbaren Willen" der anderen Person zustande kommt. Oft gibt es Missverständnisse, wie dies zu verstehen ist. Tatsächlich muss der Gegenwille erkennbar hervortreten, und zwar so, dass ein objektiver Betrachter diesen erkennen würde. Die Strafbarkeit wird also nicht schon dadurch begründet, dass die angegriffene Person nicht Ja sagt. Auch reicht nicht aus, dass die Person allgemeine Vorbehalte gegen den Täter hat, denn die Bildung eines Gegenwillens zu Sex setzt einen Bezug zu einem tatsächlichen sexuellen Kontext voraus. Der Gegenwille muss also konkret -anlassbezogen- hervortreten.
Ist dies nicht der Fall, scheidet die Anwendung von 177 Abs.1 StGB aus. Es liegt dann kein Nein heißt Nein vor, sondern es ist zu prüfen, ob ggf. ein Fall des 177 Abs. 2 StGB vorliegen könnte, zum Beispiel ein sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger.
So lautet Absatz 2 dieser Vorschrift:
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
1.der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(Gesetz neu gefasst im Jahre 2016, siehe auch BGBl. I S. 2460)
- Sollten Sie mit einem derartigen Vorwurf konfrontiert werden, machen Sie bitte keine Angaben gegenüber der Polizei, sondern kontktieren Sie uns! Ra Jochen Fahlenkamp verfügt als Strafverteidiger über langjährige Berufserfahrung im Sexualstrafrecht.
RA Jochen Fahlenkamp, Kanzlei für Strafrecht, 03.2023